God? Sure I’ve Met God – Hörspiellounge mit dem BR Hörspiel und Medienkunst

Wußten Sie, daß man in einer anderen Zeit lebt, je nachdem, an welchen Gott man glaubt?
Eran Schaerf – 1001 Wirklichkeit

Nach dem Ende der Glaubensfrage des Kalten Krieges – Kommunismus oder Kapitalismus? –, die eine der beiden Polit-Religionen für sich entscheiden konnte, klaffte ein Vakuum. Dann kamen 9/11, der zweite Irak-Krieg, der sogenannte Islamische Staat – und schon war die Religions-Religion zurück, schon kommt uns die Welt nicht mehr so säkularisiert vor wie zuvor. Oder besser gesagt: Wir sehen, dass sie es auch nie so richtig war. Doch wo die Fantasien der politischen Rechten wie der religiösen Fundamentalisten einen Glauben vom anderen glauben, unterscheiden zu können, ist die Wirklichkeit schon längst woanders.
Die Rasenflächen im Festivalzentrum werden am Samstagnachmittag zur thematischen Hörspiellounge. Hinsetzen, hinlegen, hinhören.

"1001 Wirklichkeit. Fortsetzungen eines unabgeschlossenen Romans" von Eran Schaerf, Aufzeichnung eines Live-Hörspiels aus dem Haus der Kulturen der Welt vom 30.05.2014, BR Hörspiel und Medienkunst/Berlin Documentary Forum 2014. [115 Minuten] Eran Schaerf schreibt in tausendundeiner Schicht einen Roman der ägyptisch-israelischen Schriftstellerin Jacqueline Kahanoff weiter, in dem die Protagonistin – wie ihre Autorin kosmopolitisch und jüdisch – ihre unmögliche Beziehung zu einem muslimischen Ägypter, die Nachwehen des Kolonialismus und die Überquerung aller Grenzen schildert. Nebenbei verhandelt das Stück auch die Grenzen von Hörspiel und Radio.

"Sehe dich, Istanbul, meine Augen geschlossen" von Andreas Ammer/Saam Schlamminger, BR Hörspiel und Medienkunst 2008. [50 Minuten]
Andreas Ammer und Saam Schlamminger erschaffen aus Field Recordings, die sie in Istanbul machten, ein akustisches Gemälde der Stadt. Zwischendurch erzählt Feridun Zaimoglu eine Liebesgeschichte.

"Urban Prayers" von Björn Bicker, BR Hörspiel und Medienkunst 2014. [53 Minuten]
Drei Schauspieler*innen (Wiebke Puls, Steven Scharf, Edmund Telgenkämper) sprechen. Jede*r für sich ist ein vielstimmiges Wesen, das über die eigenen religiösen Gewohnheiten spricht, über die Moscheen, Tempel, Kirchen, über Gebete, Kopfbedeckungen, Kleidung, über die Stadt, in der sie wohnen. Sie alle sagen „Wir“ und meinen sich widersprechende Positionen. Ein Panorama von Glauben in dieser Gesellschaft, heute.

"Bambiland" von Elfriede Jelinek, Regie: Karl Bruckmaier, BR Hörspiel und Medienkunst 2005. [165 Minuten]
Zum Abschluss: Monumentalhörspiel. Bambiland wühlt sich durch die Sprache der Medien, die versuchen, den Irak-Krieg von George W. Bush zu beschreiben. Diese embedded journalists machen hier der Autorin als embedded writer Platz. Scharfzüngig und -kantig wie immer zerlegt Jelinek alles, was nicht standhalten kann – in diesem Fall: nahezu alles. Mit dem Abstand der Jahre und im Angesicht des IS zeigt sich die Weitsichtigkeit dieser Analyse noch schmerzhafter.